Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil vom 12.05.2011 - VI R 42/10 entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses - unabhängig von dessen Gegenstand - bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Kosten eines Zivilprozesses hatte die Rechtsprechung bisher nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG anerkannt.
Mit dem Urteil vom 12.05.2011 hat der BFH diese enge Gesetzesauslegung aufgegeben und entschieden, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei.
Im entschiedenen Fall war die Klägerin Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem ihr Arbeitgeber (nach sechs Wochen) seine Gehaltszahlungen einstellte, nahm die Klägerin ihre Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Nach rund einem halben Jahr wurde bei der Klägerin zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit auch Berufsunfähigkeit diagnostiziert.
Aufgrund dieses Befundes stellte die Krankenversicherung die Zahlung des Krankentagegelds ein, weil nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe. Daraufhin erhob die Klägerin erfolglos Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 € machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht und wurde darin zunächst vom Finanzgericht bestätigt, denn die Klägerin lebe in intakter Ehe und könne auf ein Familieneinkommen von ca. 65.000 € "zurückgreifen".
Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Krankenversicherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Äußerung von Hans-Joachim Kanzler, Vorsitzender Richters des VI. Senats des BFH in den NWB. Hiernach soll die Entscheidung nämlich nicht nur auf Zivilklagen beschränkt bleiben. Auch Kosten aus Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsverfahren sowie aus Strafprozessen sind nach dessen Ansicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Unklar ist indes auch noch, welche Kosten eines Rechtsstreits steuerlich abzugsfähig sind (nur Gerichtsgebühren oder auch Anwaltskosten).
Die Entwicklung in dieser Sache bleibt spannend.